US-Atomwaffen: Was das für Büchel und Deutschland bedeutet

Dirk-Michael Harmsen in Büchel
Dirk-Michael Harmsen in Büchel

Was heißt Modernisierung der in Büchel lagernden US-Atomwaffen?
Ansprache vor dem Haupteingang zum Fliegerhorst Büchel in der Eifel, am 07.07.2018 von Dr. Dirk-M. Harmsen

In den von US-Soldaten bewachten 11 unterirdischen Bunkern des hiesigen Fliegerhorstes Büchel lagern gegenwärtig etwa 20 US-Atomwaffen des Typs B61. Dieser Bombentyp gehört in die Kategorie der sogenannten taktischen Atomwaffen und ist eine freifallende nukleare Fliegerbombe. Weitere 130 befinden sich gegenwärtig in der Türkei, in Italien (2), Belgien und in den Niederlanden.Bei der B61 handelt es sich um eine Wasserstoffbombe. Sie ist stromlinienförmig gebaut, damit sie außen an überschallschnellen Kampfflugzeugen montiert werden kann. Der Bombenkörper ist 3,58 m lang und hat einen Durchmesser von 33 cm, das Gewicht beträgt zwischen 320 und 540 kg (abhängig von der Bauweise). Bisher wurden neun unterschiedliche Versionen der B61 entwickelt, fünf sind noch immer einsatzfähig. Sie unterscheiden sich in ihrer Funktionsweise, sind jedoch äußerlich nahezu identisch.
Die meisten Versionen sind mit einem Bremsfallschirm aus Nylon/Kevlar mit einem Durchmesser von 7,30 m ausgerüstet, um die Waffe im Fall soweit abzubremsen, dass das Trägerflugzeug genügend Zeit hat, sich aus dem Wirkungsbereich der Explosion zu entfernen. Die B61 kann in der Luft und auf dem Boden gezündet werden und ist selbst bei einem schirmgebremsten Abwurf aus 15 m Höhe noch funktionstüchtig.
Die B61-Bombe wurde 1963 im Los Alamos National Laboratory in New Mexico entwickelt. Ab 1968 wurden insgesamt über 3.000 B61 gebaut, von denen im Jahr 2002 noch knapp 2.000 Stück in amerikanischen Arsenalen lagerten.

Kernwaffen: Lebensdauer verlängert

Während der Regierungszeit von Präsident Barak Obama (2009-2017) begannen Überlegungen für ein Programm zur Verlängerung der Lebensdauer der vorhandenen Kernwaffen.
Gegenwärtig wird eine neue Version der B61-Bombe entwickelt, die sogenannte Modifikation B61-12, und zwar für das US-amerikanische Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug F-35 Lightning II. Dessen Bordelektronik kann nicht mit den vorhandenen Versionen der B61 kommunizieren.
Diese neue Version B61-12 soll schrittweise die anderen Modifikationen der B61 mit Ausnahme der B61-11 ersetzen und von allen nuklear bewaffneten Trägerflugzeugen der US-AirForce und der NATO-Verbündeten eingesetzt werden können. Tests, die im Oktober 2015 in Nevada, USA, durchgeführt wurden, zeigen, dass die B61-12 mehrere Meter in das Erdreich eindringen und somit trotz geringerer Sprengkraft gezielt gegen tiefliegende Bunker eingesetzt werden kann.
Nach Hans M. Christensen, einem führenden Atomwaffenexperten, der seit 1990 diese Entwicklungen verfolgt, beinhaltet das Konzept für die B61-12 u.a. folgende Punkte:

  • Es sollen weiterhin Atombomben für US-strategische Bomber und für NATO-Jagdbomber zur Verfügung stehen;
  • Es sollen vier vorhandene B61-Versionen in eine einzige neue Version, die B61-12, zusammengeführt werden; das spart Geld;
  • Neue Sicherheitsfunktionen sind hinzuzufügen;
  • Es soll ein kleinerer Sprengkopf (B61-4) verwendet werden, mit dem die Sprengkraft bedarfsgerecht dosiert werden kann (zwischen 0,3/1,5/10/45 Kilotonnen TNT(Trinitrotoluol)-Äquivalent) und die Menge an hoch angereichertem Uran-235 (HEU), das gestohlen werden könnte, reduziert wird.

Von offizieller Seite werden folgende Behauptungen zur neuen Version B61-12 verkündet:
Die B61-12 ist keine neue Atombombe, sondern lediglich eine bestehende mit einer verlängerten Lebensdauer,
sie besitzt keine neuen militärischen Fähigkeiten,

Neuer Atombombentyp

Doch die Realität sieht anders aus:
Die B61-12 ist ein neuer Atombombtyp, der sich gegenwärtig noch nicht im Bestand der einsatzfähigen US-Atomwaffen befindet.
Die B61-12 vergrößert die militärischen Fähigkeiten: Durch die bessere Dosierbarkeit der Sprengkraft und durch die Steuerbarkeit der Bombe, wird ihr Einsatz wahrscheinlicher.
Genau um diese beiden Punkte streiten sich gegenwärtig die Atommächte USA und Russische Föderation. Auf dem Spiel steht die Kündigung des INF-Vertrags, des Vertrags zur dauerhaften Vernichtung aller Mittelstreckenraketen mit ihren Atomsprengköpfen, die auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs stationiert worden waren und im Wesentlichen die beiden deutschen Teilstaaten als Schlachtfeld im Blick hatten. Der INF-Vertrag wurde am 8. Dezember 1987 von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschov unterzeichnet und am 1. Juni 1988 für unbegrenzte Zeit in Kraft gesetzt. Er lautet im Artikel 1: „Im Einklang mit diesem Vertrag … wird jede Vertragspartei ihre Flugkörper mittlerer und kürzerer Reichweite beseitigen, solche Systeme danach nicht besitzen und die anderen in diesem Vertrag niedergelegten Verpflichtungen erfüllen. …“ Die neue B61-12 Bombe ist ganz klar „ein Flugkörper kürzerer Reichweite“ und verstößt somit gegen den INF-Vertrag.
Noch letzte Bemerkungen zu den Trägersystemen der neuen B61-12. In den USA steht gegenwärtig nur der US-Tarnkappen-Kampfjet F-35 in der Zulassung für diese neue Bombe.
Laut einem Reuters-Bericht vom 20. Juni 2018 schrieb das deutsche Verteidigungsministerium im April dieses Jahres einen Brief an das amerikanische Verteidigungsministerium mit der Frage, ob die Amerikaner bereit seien, den Eurofighter mit Atombomben auszurüsten, und generell, ob die Zulassung der europäischen Jets möglich sei, wie viel es kosten würde und wie lange es dauern würde. Top-Beamte der US-Luftwaffe und des Pentagon arbeiten daran, auf die deutsche Anfrage zu antworten, hieß es.

 

Teuerste Nuklearwaffe der USA

Die milliardenschwere Ausschreibung als Ersatz für Deutschlands Flotte von 89 Tornados, die Mitte des nächsten Jahrzehnts ausgemustert werden sollen, stellt den Eurofighter, der keine Tarnkappen-Fähigkeiten besitzt, – in einer Zeit transatlantischer Spannungen – mehreren US-Konkurrenten gegenüber. Klar ist, dass die US-Tarnkappen-Kampfjets F-35 bereits Anfang der 2020er-Jahre nuklear ausgerüstet sein sollen.
Es könnte sein, dass die US-Regierung die deutsche Regierung zwingen könnte, wegen der nuklearen Teilhabe die US-Tarnkappen-Kampfjets F-35 zu kaufen anstatt Geld auszugeben für eine Umrüstung und Zertifizierung veralteter Eurofighter ohne Tarnkappen-Fähigkeit. Die Zukunft wird’s zeigen. Die Kostenschätzungen für das B61-12-Programm betrugen im Jahr 2012 sechs Milliarden US-Dollar. Wie man heute weiß, sind diese Kosten unterschätzt. Damit wird diese neue Bombe vermutlich die teuerste Nuklearwaffe im Arsenal der USA werden.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.