Friedensnobelpreis für Ican / Interview bei Siller

Dirk Harmsen Interview Siller
Dirk Harmsen Interview Siller

Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (Ican). Die in Genf ansässige Organisation erhält die hoch renommierte Auszeichnung für ihre weltweiten Bemühungen zur Abrüstung.

Der Journalist Stefan Siller hat in der Wochenzeitung „Kontext“ ein Interview geführt mit mir. Die ersten Fragen sind hier zu lesen:

Herr Harmsen, Sie sind frischgebackener Friedensnobelpreisträger. Sie haben den Preis noch nicht bekommen, aber er ist schon versprochen. Herzlichen Glückwunsch!

Vielen Dank.

Sie beschäftigen sich nicht nur als Physiker, sondern auch als ethisch-politisch interessierter Mensch seit Jahrzehnten mit dem Thema Atomwaffen und deren katastrophalen Folgen. Glauben Sie, dass Atomwaffen heute immer noch eine der größten Gefahren für die Menschheit sind?

Ja. Auf jeden Fall. Denn Atomwaffen, wenn sie in einem Atomkrieg eingesetzt werden, werden Schäden verursachen, die weit über das hinausgehen, was in Nagasaki und Hiroshima geschehen ist. Es gibt so viele Kernwaffen und so viele Staaten, die darauf hoffen, sie einsetzen zu können. Dabei ist es eine so schlimme Waffe. Die noch immer nicht verboten ist! Und das, obwohl es seit 1970 einen Nichtverbreitungsvertrag gibt, in dem eindeutig steht, dass die damaligen fünf Großmächte ihre Atomwaffen abrüsten würden. Aber das haben sie nicht gemacht.

Manche Staaten hoffen darauf, Atomwaffen einsetzen zu können?

Es könnte sein, dass Menschen an diese Waffen kommen, die keinerlei Verantwortungsgefühl haben. Das war bisher bei den Großmächten, die im Weltsicherheitsrat sitzen, nicht der Fall. Weil die sehr wohl wussten, welche Gefahr Atomwaffen darstellen. Deshalb hat auch die Abschreckung während des Kalten Krieges funktioniert. Aber die Art und Weise, wie die Nato heutzutage mit Kernwaffen droht, sogar bereit ist, sie ersteinzusetzen, ist schlimm.

Nun sagen die Mächte, die nicht auf Atomwaffen verzichten wollen, das Gleichgewicht des Schreckens hat doch bewiesen, dass es vernünftig ist, diese Arsenale zu haben. Sie sagen, wenn wir abrüsten und die anderen machen nicht mit, dann ergeben wir uns vielleicht Nordkorea oder Russland, Staaten, die uns vernichten wollen.

Nehmen wir mal Nordkorea. Das ist ein Staat, der seit dem Koreakrieg nie mit den Mächten, die damals den Krieg geführt haben, Südkorea und die USA, zu Pott gekommen ist. Die Versprechungen der USA an Nordkorea, die über Jahrzehnte immer wieder gemacht wurden, sind von US-Seite nie eingehalten worden. Zum Beispiel hat Nordkorea ein Problem mit seiner Energieversorgung. Also hieß es von Seiten Nordkoreas, wenn uns die USA zwei Kernkraftwerke hinstellen, damit wir Strom haben, brauchen wir sie nicht selbst zu entwickeln. Die wurden aber nie geliefert, obwohl es Verträge darüber gab. Und so ging eine Verabredung nach der nächsten den Bach runter. Die Art und Weise, wie die USA gemeinsam mit den Südkoreanern immer wieder gedroht haben, auch mit Manövern, war derart, dass die Nordkoreaner sich gesagt haben, so jetzt müssen wir mal selbst sehen, was wir machen können. Insofern könnte ich sogar ein Nordkorea-Versteher sein. Allerdings nur in dieser Hinsicht. Nordkorea ist ein schlimmes, diktatorisches Regime. Aber ich kann verstehen, weshalb sie versuchen, sich zu wehren. Nordkorea hat übrigens, wenn ich richtig informiert bin, an den Vorverhandlungen für das Vertragswerk zum Verbot von Kernwaffen durchaus mitgemacht.Quelle und Erstabdruck: www.kontextwochenzeitung.de