FEST: Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft

frieden_07wInterdisziplinäre Forschungsstätte in Heidelberg

„Die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST) ist ein interdisziplinäres Forschungsinstitut, seit 1958 mit Sitz in Heidelberg, dessen Grundfinanzierung durch die Mitglieder des Trägervereins – die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die Landeskirchen der EKD, den Deutschen Ev. Kirchentag und die Ev. Akademien – getragen wird und das darüber hinaus Forschungs- und Beratungsarbeiten durch Drittmittel finanziert. Die FEST hat gegenwärtig 17 wissenschaftliche Mitarbeitende.
Die wissenschaftlichen Forschungen sind auf die folgenden Arbeitsbereiche ausgerichtet:

  • Religion, Recht und Kultur
  • Frieden und Nachhaltige Entwicklung
  • Theologie und Naturwissenschaft

Darüber hinaus führen die Mitarbeiter der FEST immer wieder Querschnittsprojekte durch, die sich übergreifenden Fragestellungen widmen.
Die Arbeit des Arbeitsbereiches Frieden und Nachhaltige Entwicklung findet in mehreren Themenfeldern statt:

  • Wachstum und Wohlfahrt/Indikatoren nachhaltiger Entwicklung
    Wohlfahrtsindizes (NWI/RWI)
  • Einführung von Umwelt-, Energie- und Nachhaltigkeitsmanagementsystemen
  • Erstellung von Klimaschutzkonzepten und Umweltkonzepten
  • Klimaschutz der EKD
  • Religion und Konflikt
  • Gerechter Frieden
  • Just Policing – eine Alternative zur militärischen Intervention?
  • Friedensgutachten

Hier werden Projekte durchgeführt, die die spezifische Forschungs- und Beratungskompetenz des Instituts in politiknahen Themenbereichen nutzen und weiterentwickeln.

In der Orientierung des Arbeitsbereichs ist der im Institut bewährte interdisziplinäre Ansatz weiterhin bestimmend: Interdisziplinarität ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen den methodischen Herangehensweisen der beteiligten Disziplinen, sondern bedeutet auch zu versuchen, Fragestellungen nicht vorrangig aus der Logik der Einzeldisziplinen zu entwickeln. Dieser Ansatz kann für viele aktuelle Forschungsfragen und für den Beratungsbedarf von Kirchen und anderen gesellschaftlichen Institutionen fruchtbar gemacht werden.
Dass Frieden zum Gegenstand wissenschaftlicher Forschung wurde, ergab sich aus der Betroffenheit über die Erfindung und den erstmaligen Gebrauch von Nuklearwaffen zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Als Alternative sowohl zu statisch definierten Friedensbegriffen als auch zu einem primär über Kriterien der Außen- und Sicherheitspolitik definierten Friedensverständnis wurde im Institut ein mehrdimensionales Modell entwickelt: Frieden als ein geschichtlicher Prozess der Minimierung von Not, der Eindämmung von Gewalt und der Verminderung von Unfreiheit.
Zwischenstaatliche Spannungen sind häufig überlagert und durchdrungen von sozialen Disparitäten innerhalb von Gesellschaften sowie von dem globalen Konflikt zwischen Nord und Süd, aber auch von zunehmender Ressourcenverknappung und der Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen. Vor diesem Hintergrund müssen die Bedingungen für die Möglichkeit einer nachhaltigen Entwicklung herausgearbeitet werden. Entwicklungsforschung ist in diesem Sinne der Versuch, auf der Grundlage „aufgeklärter Utopien“ zukunftsfähiger Gesellschaften konkrete Planungen zu entwerfen, die mit den Erfordernissen von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft vereinbar sind.
Diesen Forschungsfragen gemeinsam ist die Frage nach Beiträgen, die die ökumenische Gemeinschaft der Christenheit zu einer neuen politischen Weltordnung leisten kann. Gerade in jüngster Zeit ergingen hier aus den Landeskirchen und der EKD mehrere Anfragen an die FEST, aus der sich das Bedürfnis nach einer längerfristigen Beratung kirchlicher Gremien in einigen Themenfeldern des Arbeitsbereichs erkennen lässt.
Darüber hinaus sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitsbereiches persönliche Mitglieder kirchlicher Gremien in den Bereichen Frieden, Umwelt und Entwicklung (vgl. aktuellen Jahresbericht).

Spezifische Beispiele der Projektarbeit in der FEST

Projekt Gerechter Frieden – ein globales Konzept?

Die veränderte weltpolitische Konstellation und die neuen Rahmenbedingungen internationaler Politik stellen auch die Kirchen vor neuen Herausforderungen: Mit dem Wegfall der Bipolarität, dem veränderten Kriegstypus, den damit einhergehenden Reaktionen der internationalen Gemeinschaft sowie der zunehmenden Gefahr der Entgrenzung von Gewalt sind sie zum einen inhaltlich gefordert, neue friedensethische Bewertungsgrundlagen und Handlungskriterien zu entwickeln. Zum anderen sind sie strukturell herausgefordert.

Angesichts des Fortschreitens von Globalisierung und Global Governance und der zunehmenden Bedeutung transnationaler Akteure gewinnen auch religiös basierte NGOs wie der Weltkirchenrat (WCC) in der internationalen Politik an Einfluss. Daraus leitet sich für den WCC die Chance – und ggf. auch die Verpflichtung – ab, in einem seiner wichtigsten Tätigkeitsfelder, der Friedensethik, international aktiv zu sein und Einfluss zu nehmen.
Mit dem Konzept des gerechten Friedens versuchen die Kirchen – auf internationaler Ebene der WCC, gleichfalls aber auch andere religiös basierte NGOs sowie der Vatikan –, darauf eine Antwort zu geben. Dabei umfasst der gerechte Frieden weitaus mehr als den Schutz von Menschen vor ungerechtem Einsatz von Gewalt; er schließt soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle Menschen mit ein. Dennoch bleibt die Frage nach der Anwendung von Waffengewalt auch für den gerechten Frieden von zentraler Bedeutung. Verlangt ist eine ethische Erwägungskompetenz, die angesichts der internationalen Forderung nach einer Responsibility to Protect eine ganz neue Brisanz gewinnt und zugleich auch die Friedensethik mehr denn je herausfordert.
Das Projekt „Der gerechte Frieden – ein globales Konzept?“ untersucht, wie die Kirchen vor dem Hintergrund ihrer eigenen friedensethischen Positionen das ökumenische Konzept des gerechten Friedens rezipieren und welche Rolle diesem auf der Ebene der internationalen Politik zukommen kann. Verfolgt wird ein empirisch-analytischer Ansatz mit dem Ziel, das ökumenische Konzept zum gerechten Frieden und seine Einflussnahme auf die internationale Politik zu untersuchen. Intention des Projektes ist es, die Chancen, aber auch Restriktionen, die diesem friedensethischen Konzept inhärent sind, in den Blick zu nehmen und einer kritischen Analyse zu unterziehen.

Just Policing – eine Alternative zur militärischen Intervention?

Spätestens seit dem internationalen Gewaltverbot der Vereinten Nationen, das den Staaten jegliche Androhung und Anwendung von Gewalt untersagt, ist militärische Gewaltanwendung zu einem virulenten Thema friedenspolitischer und -ethischer Debatten geworden. Die humanitär begründeten militärischen Interventionen der 1990er Jahre haben diese wieder neu entfacht, aber auch mit der Responsibility to Protect setzen sich diese Kontroversen weiter fort.
Als Lösung, das Ideal der Gewaltfreiheit mit der internationalen Schutzverantwortung in Einklang zu bringen, wurde im friedensethischen Kontext Just Policing, verstanden als „gerechtes polizeiliches Handeln“, vorgeschlagen. Im Fokus dieses Ansatzes steht das Ziel der Gewaltdeeskalation und Gewaltminimierung. So würden sich Polizeieinheiten aufgrund ihres Aufgabenprofils und ihrer Ausstattung deutlich vom Militär unterscheiden. Angestrebt werde nicht – so Fernando Enns – ein „Sieg über andere“, vielmehr gehe es darum, „gerechte win-win-Lösungen zu ermöglichen“, und diese mit geringstmöglicher Zwangsausübung.
Welche friedenspolitischen Implikationen weist Just Policing aber im internationalen System auf? D.h. inwiefern kann Just Policing eine Alternative zu militärischen Einsätzen darstellen? Inwieweit ist das Konzept geeignet, bedrohte Menschengruppen zu schützen? Und auf welche Weise kann es zur Gewaltprävention und Eskalationsvermeidung beitragen?

Ausgehend vom Entstehungskontext und seinen inhaltlichen Ausgangsüberlegungen werden im Projekt zwei Abgrenzungen vorgenommen: zwischen Militär und Polizei sowie zwischen Policing und Just Policing. D.h. worin liegen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen militärischer und polizeilicher Gewaltanwendung und was macht Policing zu Just Policing? Empirisch reflektiert werden diese Ausführungen am Fallbeispiel des internationalen Einsatzes in Afghanistan. Intention ist es, die Chancen, aber auch Restriktionen, die diesem Konzept inhärent sind, in den Blick zu nehmen und einer kritischen Analyse zu unterziehen.“

Dr. Dirk-Michael Harmsen

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